Gemeinderat lehnt Geschwindigkeitsmessanlage ab

Wie vor sechs Jahren lehnte der Gemeinderat das von der Verwaltung vorgeschlagene Vorhaben, in der Seestraße eine stationäre Blitzeranlage zu installieren, mit großer Mehrheit ab.

7 Gedanken zu „Gemeinderat lehnt Geschwindigkeitsmessanlage ab“

  1. Mit einem Smiley gegen Raser

    Eine doppelseitige stationäre Geschwindigkeitsmessanlage in der Seestraße wird es in nächster Zeit nicht geben. Der Gemeinderat lehnte das von der Verwaltung vorgeschlagene Vorhaben nach längerer Diskussion ab – wie schon vor sechs Jahren.

    Sipplingen (hk) Bürgermeister Anselm Neher sagte, dass eine stationäre Anlage insbesondere im Bereich der Beherbergungsbetriebe immer mehr gefordert werde. Eine solche Anlage würde die Stadt Überlingen als Amt für öffentliche Ordnung auf eigene Kosten installieren, sagte Neher. Diese erhalte dann die Einnahmen aus den Verwaltungsgebühren.

    Hauptkommissar Georg Kuhn von der Polizeidirektion Friedrichshafen machte deutlich, dass eine stationäre Anlage neben dem positiven Effekt der Temporeduzierung auch negative Begleiterscheinungen habe. Dazu gehören nach seinen Worten gezielte, heftige Bremsmanöver innerhalb der engen Überwachungszone und anschließendes massives Beschleunigen, was zu einer Lärmsteigerung führe. Außerdem könnten „Blitzer“ im unmittelbaren Umfeld bei Bewohnern zu Unbehagen führen. „Die auslösenden Aufhellblitze werden oftmals als störend empfunden“, so Kuhn. Eine höhere Wirkung haben nach seiner Ansicht mobile und temporär eingesetzte Messanlagen.

    In den vergangenen neuneinhalb Jahren habe es innerhalb der Tempo-30-Zone lediglich zehn Verkehrsunfälle gegeben, bei denen zu hohes Tempo keine Rolle gespielt habe. „Es handelt sich hier um keine gefahrenträchtige Örtlichkeit“, sagte er. Mehrere Überprüfungen hätten ergeben, dass von 7156 gemessenen Fahrzeugen nur 2,7 Prozent zu schnell gewesen seien. Kuhn: „Grundsätzlich befürworten wir eine solche stationäre Geschwindigkeitsmessanlage, wenn wir die Notwendigkeit erkennen. Hier in Sipplingen gibt es aber keine absolute Erfordernis.“

    Gar nicht einverstanden mit den Ergebnissen der Verkehrschau war Gemeinderat Thomas Biller (FW). Fast alle Verkehrsteilnehmer aus Richtung Ludwigshafen seien zu schnell unterwegs. „Nachts fahren die mit gefühlten 70 durch“, sagte er. Den Bereich rund um die Tourist-Information bezeichnete er als „potentiellen Gefahrenpunkt“, weil so gut wie kein Fußgänger die Unterführung benutze, sondern jeder die Straße quere. Biller: „Ich bin froh über das Angebot der Stadt Überlingen.“ Clemens Beirer (CDU) sagte, seit Einrichtung der stationären Anlage sei es besser geworden, „die neue Anlage kann man sich sparen.“ Karl Hepp (CDU) hielt mehrere, insbesondere mobile Anlagen für erforderlich. Eberhard Widenhorn (CDU) war überzeugt, mit einer einzigen stationären Anlage die Situation nicht in den Griff zu kriegen: „Außerdem ist so ein Blitzer schlecht für das Image der Gemeinde.“

    Bei drei Gegenstimmen von Neher, Biller und Bernhard Bittlingmaier (FW) und einer Enthaltung von Thomas Seiberle (FW) lehnte das Ratsgremium die stationäre Anlage ab. Kuhn riet dazu, sich ein Messgerät zuzulegen, das nicht die Geschwindigkeit, sondern einem grimmigen oder lachenden Smiley je nach überhöhter oder passender Geschwindigkeit zeigt. Solche Anlagen seien effektiver, meinte Kuhn.

    (SÜDKURIER, 21. Juli 2012)

    Die Situation

    Die Sipplinger Seestraße (B 31-alt) gibt immer wieder Anlass zum Klagen. Die Anwohner beschweren sich seit Jahren über die Verkehrsverhältnisse, über den Lärm und die Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer. Sowohl Tempo 50 im Bereich des Ortseingangs als auch Tempo 30 im Ortskern werden immer wieder wesentlich überschritten.
    Seit Einführung der Maut-Gebühr fahren auch Lastwagen verstärkt durch Sipplingen und teilweise, vor allem nachts, mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit durch die Seestraße. Selbst die stationäre Messanlage in der Tempo-30-Zone, von Anliegern und der Gemeinde finanziert, hat nicht den gewünschten Erfolg gebracht.
    Die Beherbergungsbetriebe in Sipplingen sind von der Situation besonders betroffen und haben vor allem bei den Übernachtungszahlen erhebliche Einbußen. Der Gemeinderat hatte bereits im März 2006 die Einrichtung einer stationären Geschwindigkeitsmessanlage abgelehnt. Die Entscheidung wurde damals mit den Kosten begründet, die die Gemeinde tragen müsse. Die Gebühren flössen hingegen nach Überlingen. (hk)

    (SÜDKURIER, 21. Juli 2012)

    1. LESERMEINUNG

      Vertane Chance

      Zum Bericht „Mit einem Smiley gegen Raser“, SÜDKURIER vom 21. Juli:

      Was für ein humorvoller Gemeinderat wirkt denn da in Sipplingen? Seit Jahren beschweren sich Einwohner über die Verkehrsverhältnisse in diesem Ort. Jetzt bietet sich die einmalige Gelegenheit, dass die Stadt Überlingen auf eigene Kosten eine Geschwindigkeitsmessanlage installiert. Andere Gemeinden in der Umgebung würden sich die Finger nach einem solchen Angebot ablecken. Und was machte der wackere Gemeinderat von Sipplingen? Er lehnt ab, und das mit abenteuerlichen Begründungen. Der Wille vieler verantwortungsvoller Bürger wird geradezu mit Füßen getreten.

      Einige Beispiele: Georg Kuhn, Hauptkommissar der Polizeidirektion Friedrichshafen, gibt zu bedenken, dass es zu massiven Bremsmanövern und Beschleunigungen kommen wird. lm Umkehrschluss bedeutet das doch, dass vorher viel zu schnell gefahren wird, oder etwa nicht? Das wiederum scheint aber für ihn nicht so wichtig zu sein. Er befürchtet statt einer permanenten Gefahrenzone eine mögliche Lärmbelästigung. Sehen das die Bürger auch so? Man sollte in anderen Gemeinden nachfragen, was schlimmer ist: Raser als Gefahrenpotential, oder eine „mögliche“ Lärmbelästigung im Einzelfall?

      Aber es kommt noch besser. Aufhellende Blitze könnten von den Anwohnern als störend empfunden werden, sagt Kuhn. Von wem hat er das denn, von den Anwohnern etwa? Die sind es doch, die den „Blitzer“ wünschen.

      In neuneinhalb Jahren hätte es nur zehn Unfälle in der 30cr Zone gegeben. Hohes Tempo wäre da nicht im Spiel gewesen. Ist das etwa ein Argument dafür, ruhig zuzusehen und nichts gegen Raser zu unternehmen? Nur weil das Glück uns bis dato hold war und schreckliches Unheil noch nicht geschah? Ich möchte ungern die Bilder, Blumen und Teddybären auf der Straße liegen sehen, die geschockte Mitbürger abgelegt haben. Ich selbst habe 600 Rettungseinsätze mit Christoph 11 in Villingen-Schwenningen geflogen. Ich habe erlebt, wie schnell und urplötzlich das Unglück zuschlägt.

      Stattdessen bemüht Georg Kuhn für Sipplingen die gute alte Statistik. Von 7156 gemessenen Fahrzeugen seien lediglich 2,7 Prozent zu schnell gewesen. Wie oft ist denn in Sipplingen in diesen Jahren geblitzt worden? Und innerorts geschieht gar nichts. Welche Statistik gilt denn da? Aber es handelt sich ja um keine gefahrenträchtige Örtlichkeit im Sinne des Gesetzes.

      Ein weiterer hanebüchener Grund gegen einen stationären Blitzer: Eberhard Widenhorn meint, dass ein Blitzer schlecht für das Image der Gemeinde sei. Dann hätten aber viele verantwortungsvolle Bürger und auch Gemeinden im Kreis ein sehr schlechtes Image. Man hat also ein schlechtes Image, wenn man sich an die Regeln hält? So einen Nonsens weiter zu kommentieren ist müßig.

      Dem Bürgermeister Anselm Neher zur Ehre sollte nicht unerwähnt bleiben, dass er für die Messanlage gestimmt hat und dass er immer wieder Aufrufe ins Gemeindeblatt setzt, in denen er um Rücksicht und Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkungen bittet. Leider konnte sich der Bürgermeister nicht durchsetzen. Auch die Hilfe von zwei weiteren Gemeinderäten, die den Ernst der Lage begriffen haben, konnte daran nichts ändern.

      Die Chance, die Überlingen der Gemeinde geboten hat, ist dahin. Eine Messanlage ist sicher nicht der Stein der Weisen, aber wenn sie auch nur einen einzigen möglichen Unfall verhindern würde, hätte sie sich schon bezahlt gemacht. Man kann nur hoffen, dass so ein Unglück nie geschieht.

      Die Bürger sind nicht mehr so dumm, wie einige Herren noch immer glauben. Und wenn doch mal ein Unglück passiert, werden sie anklagen. Mit einem Ja durch den Gemeinderat wäre vielleicht gerade dieses Unglück dann zu vermeiden gewesen.

      Christoph Seiler, Sipplingen
      (aus dem SÜDKURIER vom 11. August 2012)

    2. LESERMEINUNG

      Schlechter Witz

      Zum Bericht „Mit einem Smiley gegen Raser“, SÜDKURIER vom 21. Juli:

      Der Gemeinderat Sipplingen hat eine große Chance vertan, einen wichtigen Schritt zur Verkehrsberuhigung in der Seestraße (B 31 alt) in Sipplingen zu tun, indem er die Installation eines Blitzers ablehnte.
      Waren früher die Kosten ein Argument dagegen, kamen nun andere teilweise haarsträubende Dinge zur Sprache, wie zum Beispiel dass ein „Imageschaden“ für die Gemeinde entsteht. Falls damit gemeint ist, dass der eine oder andere PKW oder LKW die Ortsdurchfahrt Sipplingen meiden würde, wäre das ein erfreulicher Nebeneffekt.

      Wie man in Hagnau beobachten kann, halten sich fast alle Verkehrsteilnehmer an Tempo 30 in der Ortsdurchfahrt, was ohne die beiden Blitzer sicher nicht der Fall wäre, speziell nachts. Dasselbe kann man in Fischbach sehen, wo gleichzeitig mit Tempo 30 nachts zusätzliche Blitzer installiert wurden. Es steht nun mal fest, dass Tempo 30 bei überregionalen Straßen im Bereich von Ortsdurchfahrten ohne Verkehrsüberwachung nicht funktioniert. Den Vorschlag, zusätzliche Smileys als Maßnahme gegen zu schnelles Fahren zu installieren, kann man getrost als schlechten Witz auffassen. Schon der jetzige Smiley dient für manche lediglich für die Dokumentation von Überschreitungen. Leider muss man in Sipplingen von mangelnder Solidarität der Einwohner mit den Betroffenen in der Seestraße und im erweiterten „Schalltrichter“ der B 31 alt sprechen. Diesen Eindruck vermittelt auch das Abstimmungsergebnis des Gemeinderates zu diesem Thema.

      Bleibt zu hoffen, dass es die jetzige Landesregierung schafft, die B 31 neu baldmöglichst fertig zu stellen. Erst danach besteht wieder Hoffnung, dass sich in der Seestraße doch noch etwas tut.

      Bruno Biller, Sipplingen
      (aus dem SÜDKURIER vom 17. August 2012)

    3. Über 350 vorwiegend Sipplinger Bürgerinnen und Bürger haben mittlerweile mit ihren Unterschriften die Initiative zur Verkehrsberuhigung B 31 alt unterstützt. Die Installation der doppelseitigen stationären Geschwindigkeitsmessanlage in der Seestraße wäre ein wirkungsvoller Beitrag im Sinne der Initiative und vor allem der betroffenen Anwohner gewesen.

      Vor sechs Jahren wurden die hohen Anschaffungskosten als Hauptargument gegen einen Blitzer angeführt. Jetzt wird die Ablehnung unter anderem mit störenden Aufhellblitzen oder vermehrten Brems- und Beschleunigungsmanövern begründet. Diese mutmaßlichen Begleiterscheinungen hätten allerdings ausgerechnet die beiden befürwortenden Gemeinderäte aus der Seestraße und viele andere unmittelbar Betroffene offenkundig bereitwillig in Kauf genommen.
      Für paradox halte ich die Aussage, dass „so ein Blitzer schlecht für das Image der Gemeinde“ sei. Weshalb sollte ein Erholungsort auf ein positives Image bei Rasern und LKW-Fahrern angewiesen sein, denen übrigens mit der B 31 neu eine durchaus akzeptable Alternativtrasse zur Verfügung stünde? Potenzielle Urlaubsgäste und Radfahrer hätten diese verkehrsberuhigende Maßnahme sicherlich begrüßt.

      Vielleicht haben auch ganz andere Befürchtungen eine Rolle gespielt, wie z.B. dass gewisse flotte Einheimische selbst zukünftig die Überlinger Stadtkasse füttern müssten. Das wäre ja allerhand, gell?

  2. Ausgabe 2012, Nr. 39:

    Kurzbericht zur Gemeinderatssitzung vom 19.09.2012

    […] Unter dem letzten Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ wurde die Verwaltung beauftragt, die Zulässigkeit und die Kostenbeteiligung der Anwohner im Zusammenhang mit dem Aufstellen besonderer Verkehrszeichen im 30km/h-Zonen-Bereich zu prüfen, da die vorgeschlagenen neuartigen LED-beleuchteten Verkehrszeichen möglicherweise in besonderem Maße zur Geschwindigkeitsreduzierung beitragen könnten. […]

    1. Dazu kann man nur sagen: die beste Lösung wäre von der Stadt Überlingen bezahlt worden; eine mögliche „zweitbeste“ Lösung sollen nun die Anwohner selbst zahlen. Genial wie manche hier agieren.

  3. Rat für weiteres Tempo-30-Schild

    Von HOLGER KLEINSTÜCK

    Der Gemeinderat fordert nachträglich, Geschwindigkeitsmessungen auf der alten Bundesstraße im Ortsbereich von Sipplingen vorzunehmen – und zwar nachts. Dem Gremium war es unverständlich, warum das Landratsamt und das Überlinger Ordnungsamt ein von vielen Anwohnern der Seestraße und Bürgermeister Anselm Neher unterschriebenes Anliegen nach einem reflektierenden Tempo-30-Schild abgelehnt hatte.„Die von den Bürgern erwarteten Folgen werden durch ein zusätzliches Verkehrsschild aller Voraussicht nach nicht eintreten“, zitierte Neher das ablehnende Schreiben.

    Der Bereich der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 Kilometer pro Stunde sei nicht solang, dass eine Wiederholung der Beschränkung erforderlich sei – insbesondere da eine Geschwindigkeitsanzeige bereits vorhanden sei, die das Tempo innerhalb von Sipplingen merklich dämpfe. Eine weitere Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit sei durch ein neues Schild nach der leuchtenden blinkenden Anzeige nicht zu erwarten, zitierte Neher weiter. Und: „Nach diesen Erkenntnissen liege keine Gefahrenlage vor, welche eine beleuchtete Geschwindigkeitsbegrenzung erforderlich machen würde.“ Dies läge auch die Stellungnahme der Polizeidirektion nahe.

    Gemeinderat Bernhard Bittlingmaier (FW) fragte an, ob man nicht nachts auf der Straße Messungen vornehmen könne, eventuell mit eigenem Personal. „Da wird nachts richtig gerast, wenn die Straße frei ist. Ich finde schon, dass es lebensgefährlich ist. Wenn da mal einer nachts rausfährt, dann kracht’s da richtig, dann gibt’s Tote“, mahnte er. Man sollte nach geeigneten Maßnahmen suchen, die praktikabel und bezahlbar seien. Neher sagte, auch er habe sich mit dem Ordnungsamt in Überlingen in Verbindung gesetzt und betonte, es sei für die Gemeinde wichtig, dass nachts gemessen werde. Problem sei, dass die Untere Verkehrsbehörde dafür zwei Personen bräuchte – aus Sicherheitsgründen. Clemens Beirer (CDU) schlug vor, dieses Vorhaben in Kooperation mit dem Gemeindevollzugsdienst ein paar Nächte für einige Stunden zu erledigen. „Dann hätte es Überlingen doch einfacher.“ Eberhard Widenhorn konnte die Absage des Ordnungsamts nicht nachvollziehen und verwies auf die Stadt Friedrichshafen, wo es beleuchtete Beschilderungen mit der Maßgabe „Lärmschutz“ gäbe.

    Immer wieder hatte sich der Gemeinderat in der Vergangenheit mit diesem Thema beschäftigt. Noch im Sommer vorigen Jahres hatte es eine doppelseitige stationäre Geschwindigkeitsmessanlage in der Seestraße abgelehnt, die die Stadt Überlingen installieren hätte wollen. Die Polizeidirektion hatte verdeutlicht, dass eine stationäre Anlage neben dem positiven Effekt der Temporeduzierung auch negative Begleiterscheinungen habe. Dazu gehörten heftige Bremsmanöver und anschließendes massives Beschleunigen, was zu einer Lärmsteigerung führe. Außerdem könnten „Blitzer“ im unmittelbaren Umfeld bei Bewohnern zu Unbehagen führen. „Die auslösenden Aufhellblitze werden auf Dauer oftmals als störend empfunden“, hieß es seinerzeit.

    (SÜDKURIER, 19. Januar 2013)

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